Und es begab sich zu der Zeit da George W. Bush noch US-Präsident war und Johannes Paul II. den Heiligen Stuhl innehatte. Arglos begann ich in diesem Frühjahr 2003 mein Praktikum bei einem Mannheimer Übersetzungsbüro, und hätte nicht im Traum daran gedacht, auch nur mit einem dieser zweifellos wichtigen Personen der Zeitgeschichte in Kontakt zu treten – wenn auch sehr einseitigen Kontakt.
Eilbrief ans Weiße Haus
Schon nach ein paar Tagen betrat ein von allen Mitarbeitern hoch geschätzter Stammkunde das Büro und freute sich, die neue Praktikantin mit seinem aktuellen Anliegen betrauen zu dürfen. Der sehr höfliche ältere Herr erklärte mir, dass er gelegentlich englische Übersetzungen von Briefen benötige, die er dringend verschicken müsse. So weit, so wenig ungewöhnlich, dachte ich. Er ließ sich im Wartebereich nieder und überließ mir das Studium seiner handgeschriebenen Korrespondenz. Der erste war adressiert an das Weiße Haus, Washington, USA, zu Händen eines gewissen Mr. Bush und enthielt die dringliche Bitte, sich das mit dem Einmarsch der amerikanischen Truppen im Irak doch bitte noch einmal ernsthaft zu überlegen, da dies doch eine sehr gefährliche Sache mit weitreichenden Folgen für die internationale Gemeinschaft sei.
… und an den Heiligen Stuhl
Der zweite Brief ging nach Italien, Vatikanstadt, genauer an seine Exzellenz, den Heiligen Vater Johannes Paul II., den der ältere Herr darum bat, sich dringend mehr für den Weltfrieden einzusetzen – er sei aufgrund der aktuellen Ereignisse im Nahen Osten doch äußerst besorgt. Ich ließ mir meine Verwirrung nicht anmerken und überreichte dem Kunden nach kurzer Zeit die Übersetzungen seiner kurzen Briefe, welche dieser hochzufrieden auf direktem Wege zur Post brachte. Bis zu diesem Tag hatte er leider noch nie eine Antwort auf seine engagierten Schreiben bekommen, was ihn aber nicht daran hinderte, regelmäßig mit einem neuen Eilbrief im Namen des Weltfriedens bei dem Übersetzungsbüro seines Vertrauens zu klingeln.